Einweisung Engadin Airport St. Moritz/Samedan (LSZS) mit der Vereinsmaschine

Ein Erfahrungsbericht von unserem Mitglied Ingmar Bruder

Aller guten Dinge sind 4….

…oder so ähnlich. Nachdem uns zwei Mal das Wetter und ein Mal die Technik einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten, haben Felix Hormuth und ich am 2. August einen neuen Versuch gestartet, die Einweisung am Engadin Airport St. Moritz/Samedan (LSZS) zu absolvieren. Der Platz ist mit 5600 ft der höchste Verkehrslandeplatz Europas und liegt im schönen Engadin mitten in den Schweizer Alpen. Auf Grund der besonderen Lage, verlangen die Behörden eine Einweisung um LSZS anfliegen zu dürfen. Diese besteht aus einem schriftlichen Test, welcher die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten abprüft (kann man online machen) und einer praktischen Einweisung vor Ort mit einem erfahrenen FI z.B. der lokalen Flugschule (http://swiss-alpine-flying-center.ch). Für die Einweisung stellt die Flugschule eine „Robin DR 500 Président“ und eine „Cirrus SR 22“ zur Verfügung. Nach Rücksprache mit dem Leiter der Motorfluggruppe, Juri Doos, und unserem Vorstand, konnte ich die D-EBPZ für einen Tag in die lokale ATO überführen. Somit war es Felix und mir möglich, die Einweisung auf unserer DA40 machen.

Die Wettervorhersage des DWD für die Strecke an besagtem Tag war durchwachsen: Vormittags bis zu den Alpen Stratus mit Untergrenze bei FL 70, der ab der Schweiz löchriger werden sollte. Ab mittags Gewitter und Regen auf der ganzen Strecke. Einen Tag vorher hatte es in den Alpen stark geregnet. Als wir um 6:14 Uhr UTC in Mannheim starteten, wurde noch Nebel und tiefe SCT und BKN Bewölkung am Engadin Airport gemeldet.

Abflug über RINEX 3C mit Blick auf Heidelberg

Über die RINEX 3C ging es auf 5000 ft zunächst an Heidelberg vorbei. Langen Radar schickte uns nach Süden auf unsere Reiseroute mit der Freigabe auf FL150 zu steigen. Mit der Unterstützung von Sauerstoff stiegen wir so schnell es ging durch den Stratus. Ab FL130 war Kaiserwetter. Das Eis, welches wir im Steigflug angesetzt hatten, war bei -15°C und Sonne schnell verschwunden. Ab da hieß es erst einmal Sonnenbrille auf, Sitz nach hinten, Fenster auf und Ellenbogen raus 😊.

Auf Höhe Donaueschingen wurden wir an Swiss Radar weitergegeben. Die Schweizer Lotsen stellten uns vor die Wahl, wegen der ansteigenden MSA vor uns von FL150 weiter auf FL160 zu steigen oder IFR zu canceln. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keinen Kontakt zur ATIS von LSZS. Daher war nicht klar, ob der Platz wegen Nebel geschlossen wäre und wir eventuell umkehren müssten. Aus diesem Grund entschieden wir uns dazu, weiter IFR zu fliegen.

Wie vom DWD vorhergesagt, wurde das Wetter südlich des Bodensees besser. Auf Höhe Chur konnten wir durch den immer dünner werdenden Stratus sehen, dass wir schon direkt über den Alpen waren. Die ATIS von LSZS war auf FL160 nun zu empfangen: Der Flugplatz sei offen und kein Nebel mehr zu erwarten, allerdings tiefe SCT und BKN Bewölkung. Mit der Info und Sicht auf die Berggipfel cancelten wir IFR und begaben uns in den Sinkflug. Die Wolken klebten regelrecht an der Bergen. Ein toller Anblick! Wir sind dem Rhein nach Süden gefolgt und gaben Zürich Information Bescheid, dass wir den Einflug ins Engadin über den Julier Pass probieren würden. Laut ATIS war die 03 in LSZS in Betrieb und somit ein direkter Anflug möglich.

Bei Chur haben wir unsere Reiseflughöhe verlassen und sind auf FL110 dem Rhein nach Süden gefolgt.

Zuerst konnten wir den Albula und dann auch den Julier Pass sehen. Die möglichen Anflüge auf LSZS werden, durch das entsprechende Infomaterial des Engadin Airport, präzise beschrieben. Somit wussten wir, dass wir über dem Julier Pass eine Höhe von 8600 ft haben sollten. Auf Grund der vielen Wolken und der mäßigen Sicht, überquerten wir den Pass allerdings fast 1000 ft höher als empfohlen. Einige Minuten später stellte sich diese Entscheidung als nicht so klug heraus. Wir freuten uns beide, als St. Moritz und in der Ferne die Piste 03 des Engadin Airports zu sehen war.

Einflug von Süden ins Engadin über den Julier Pass. Höhe knapp 10.000 ft. In der Ferne erkennt man die Piste 03 des Engadin Airports St. Moritz/Samedan.

Ein Flugzeug zu landen ist in der Theorie ziemlich simpel: Die kinetische Energie des Fliegers an einem bestimmten Punkt (nach Möglichkeit kurz hinter der Schwelle einer Landebahn 😊) so zu minimieren, dass der Bodenkontakt weder für das Flugzeug noch für die Insassen letal ist. Was das Ganze in der Praxis ein wenig komplizierter macht, ist der Umstand, dass dafür mehrere Aktionen zeitlich präzise koordiniert werden müssen.

Oder wie mein erster Fluglehrer sagte: „Man muss das auf die Reihe bekommen“. Und das „auf die Reihe bekommen“ klappt meistens umso besser, je mehr Erfahrung und Übung man mit einem Flugzeug unter gegebenen Bedingungen hat.

Als wir über dem Julier Pass waren, meldete ich uns bei Samedan Info an. Wie zu erwarten, bekamen wir die Freigabe, nach eigenem Ermessen auf der Piste 03 zu landen. Aus dem Pass draußen und die Piste in Sicht, war uns sofort klar, dass wir zu hoch waren. Ganz offensichtlich hat sich jemand etwas dabei gedacht, über dem Julier „nur“ 8600 ft zu haben. Die Piste war noch weit weg, und die Höhenkorrektur stellte sich in dem Moment noch überhaupt nicht als problematisch dar. Also Standardprogramm: Gas komplett raus und Klappen T/O.

Und dann wurde es spannend! Die Piste kam immer näher, aber die DA40 baute bei dem Setting Höhe und Geschwindigkeit nicht wie gewohnt ab. Irgendwas war ziemlich anders und uns wurde schnell klar, warum man sich zur Vorbereitung auf den Theorie-Test so viel mit den Eigenheiten der Dichtehöhe und deren Einwirkung auf das Flugzeug beschäftigen muss. Der Platz liegt auf 5600 ft. Die Platzrunde auf 6600 ft. Der Anflug startet idealer Weise bei knapp 8000 ft. Die Klappen bremsen das Flugzeug auf Grund der dünneren Luft in der Höhe signifikant schlechter ab, als man das auf „normalen“ Flugplätzen gewohnt ist. Plötzlich war nichts mehr „in der Reihe“. Somit brach ich den Anflug ab und teilte dem Tower mit, dass wir auf Höhe St. Moritz einen Vollkreis drehen, um Höhe abzubauen. Gesagt, getan. Doch trotz voll gesetzter Klappen war auch beim zweiten Versuch im Endanflug klar, dass die knapp 2 km Bahn nicht reichen würden. Die DA40 wurde einfach nicht langsam genug.

Anflug auf die Piste 03. Unter uns der Slivaplanersee und die Orte Silvaplana, Surlej, Champer, St. Moritz und Samedan.

Darauf beschlossen wir, in die Platzrunde zu fliegen, um zumindest mal eine vernünftige Höhenreferenz zur Landebahn zu bekommen. Den dritten Anflug habe ich mir dann mit voll gesetzten Klappen so eingeteilt, als ob ich die DA40 in Worms ohne Klappen landen würde. Hierbei achtete ich penibel auf den Abbau der Geschwindigkeit in der Platzrunde. Beim dritten Versuch hatte die PZ dann nach der Hälfte der Bahn Bodenkontakt. (Ich habe mich kurz gefragt, ob es die DA40 auch mit Störklappen gibt…😊)

Unser FI, Juri Doos, wartete vor dem Restaurant am Flugplatz bereits auf uns. Eine knappe Stunde gab es für uns eine Theoriedruckbetankung: Wie z.B. im Tal zu fliegen sei und wann welche Pässe bei bestimmten Wettersituation genutzt werden können. Auch das richtige Einteilen beim Anfliegen war Thema. (Offensichtlich scheine ich nicht der Einzige gewesen zu sein, der dort beim ersten Anflug ziemlich ins Rudern gekommen ist.)

Eindrehen in die Platzrunde in LSZS. Höhe 6600 ft.

Und damit kamen wir auch schon wieder zum praktischen Teil. Jeder musste eine gute halbe Stunde fliegen. Neben dem trainieren der Anflüge, ging es hauptsächlich darum, im engen Tal „richtig“ zu fliegen und nicht in den Gegenverkehr zu geraten. Juri gab uns dabei unbezahlbare Tipps aus seiner langjährigen Flugerfahrung im Engadin. Es ist unglaublich, was am Engadin Airport St. Moritz/Samedan für ein Kommen und Gehen von Privatjets herrscht.

Die beiden engsten Zugänge zum Tal sind der Albula Pass und der Julier Pass. Zum Abschluss der Einweisung sollten Felix und ich jeweils Umkehrkurven in den Pässen fliegen. Dies war so ziemlich das beängstigendste, was ich jemals in einem Flugzeug gemacht habe. Im Pass hat das Tal gerade einmal eine Breite von ca. 3 km. Die DA40 braucht zum Wenden bei 100 kn und 45° Neigungswinkel ca. 1,8 km. Unsere Höhe AGL waren keine 1000 ft. Der Schockmoment, wenn man das erste Mal beim Wenden vor und unter sich nur noch Felswände sieht ist wirklich einschneidend. Ich war für mehre Sekunde völlig überzeugt, dass der Platz nicht reichen würde. Wenn man dann dem Impuls nachgibt und die Kurve abbricht…Amen. Dieses Manöver mit einem Profi zu üben und zu sehen, wie eng so ein Flieger tatsächlich drehen kann, war die Reise schon wert.

Felix und ich haben beide die LSZS Berechtigung erhalten.

Felix fliegt den Julier Pass tief an und bereitet sich auf das Umkehren vor. Juri wie immer tiefenentspannt. Auf Höhe des Berggipfels direkt voraus ging es 180° rum.
Der Moment vor der Umkehrkurve nach links. Neben dem konsequenten „durchziehen“ der Steilkurve ist das Halten der Höhe in der Kurve ebenfalls extrem wichtig, da unter dem Flugzeug auch nicht viel Platz ist.

Gegen 12 Uhr UTC zogen leider wie vorhergesagt dicke Regenwolken ins Tal und sowohl der Albula Pass als auch der Julier Pass wurden für den VFR Verkehr geschlossen. Weil die Steigleistung der DA40 aber nicht für eine SID aus LSZS reicht, mussten wir VFR aus dem Tal. Da das Wetter nach Süden, Richtung Italien besser war, beschlossen wir, das Engadin über den Maloja Pass zu verlassen und auf FL160 zu steigen, um einen IFR-Pickup zu machen. Entsprechend hatte ich den Z-Flugplan aufgegeben.

Das Tanken lief problemlos. Generell war das Personal am Flugplatz sehr freundlich. Um 12:30 Uhr UTC waren wir wieder in der Luft. Der Turbo-Motor unserer DA40 liefert auch bei Höhen über 10.000 ft noch eine Steigleistung von über 800ft/min. Ein echter Vorteil, wenn man bei schlechtem Wetter im Gebirge schnell Höhe gewinnen will.

Felix und ich kurz vor dem Rückflug. Die PZ wird gerade betankt.

Als wir den Julier Pass zu unserer Rechten passierten, hatte sich eine Wolkenlücke direkt über dem Pass aufgetan. Diese nutzen wir spontan, um legal VFR über den Julier zu fliegen und uns den Umweg über Italien zu sparen. Die Lotsen von Swiss Radar begleiteten uns netterweise bereits bei FL110 und ab FL160 waren wir wieder IFR unterwegs nach Hause. Es war beruhigend, dass wir auf Grund der Motorisierung des Flugzeugs und der Möglichkeit IFR zu fliegen, nach oben wegkonnten. Somit mussten wir nicht in den Tälern unter den Wolken bei schlechtem Wetter den Weg aus den Alpen suchen.

Steigflug aus dem Engadin heraus. Die Regenwolken hängen im Tal. Höhe FL110.
Sicht auf den Bodensee aus FL160.

Über dem Bodensee klarte es nochmal kurz auf. Ein toller Blick! Je weiter wir nach Norden vorankamen, türmten sich allerdings die vorhergesagten TCUs und CBs auf. Die Tops waren deutlich über FL160 und so sind wir mit dem Segen von Swiss Radar und Langen Radar Slalom nach Hause geflogen. Hierbei waren wir nicht die Einzigen: Auch die „Großen“ meldeten Kursänderungen um den Gewittern zu entkommen. Auf Höhe Karlsruhe hörten die ATIS von EDFM ab und fingen an zu sinken: Gewitter über EDFM. Na Klasse! Zwei vor uns fliegende Maschinen fragten einen Visual Approach auf die 27 bei Langen Radar an. Den Grund hierfür sahen wir, als wir durch die Wolken durch waren: Die Zelle stand über KETEG und wir haben es dann den anderen gleichgetan und uns den Localizer gespart. Touchdown in EDFM war um 13:54 Uhr UTC.

Ein toller Ausflug den ich jedem der ein spannendes und herausforderndes Ziel in den Alpen sucht empfehlen kann. Und wenn der ein oder andere einen Beifahrer für einen Ausflug ins Engadin sucht: Ich fliege gerne wieder hin.


Badisch-Pfälzischer Flugsportverein e. V. Est. 1926